Ein Foto sagt mehr als tausend Worte

„Lebenswelten“ von Arbeit und Bildung e.V. unterstützt durch Empowerment und Kunst die gesellschaftliche Integration von Frauen mit Fluchthintergrund

Eine Gruppe von Frauen wandert durch den Wald der Marburger Lahnberge. Ihr Ziel: der Spiegelslustturm. Die meisten von ihnen tragen eine Spiegelreflexkamera bei sich. Sie sind auf der Suche nach einem wertvollen Fotomotiv in der Natur frei nach dem Motto des amerikanischen Fotografen Ralph Hattersley „Wir machen Fotos, um zu verstehen, was uns unser Leben bedeutet“.
Die Frauen sind Teilnehmerinnen von „Lebenswelten“, einem Frauenprojekt von Arbeit und Bildung e.V. Marburg, das Frauen mit Fluchterfahrung bei ihrer selbstverantwortlichen Integration in die Gesellschaft unterstützt. Die Projektleiterinnen Magdolna Bezerédy und Sophie Lauber bieten ihnen unter anderem verschiedene themenbezogene Workshops und professionelle Sozialberatung. Lebenswelten wird durch den Paritätischen Gesamtverband, das Bundesministerium des Innern, Bau und Heimat sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert.
Seit Juli diesen Jahres nehmen die Frauen an einem fortlaufenden Fotokurs für Einsteigerinnen teil, angeleitet von dem Marburger Fotografen Jan Bosch. Dieser Workshop ermöglicht ihnen einen leichten Einstieg in die digitale Fotografie. Im Fokus steht die persönliche Reflexion jeder Teilnehmerin mit ihrer Rolle als Frau in Deutschland. Auch deutsche Frauen sind dabei und unterstützen den Austausch.
„Spannend finde ich die Entwicklung, die man bei den Frauen sehen kann“, sagt Jan Bosch, anleitender Fotograf, über den Kurs. „So eine Spiegelreflexkamera ist ja für viele Menschen schon aufgrund der zahlreichen Einstellmöglichkeiten erstmal eine technische Hemmschwelle - die allerdings von allen im Kurs mit Blick auf die vielen Gestaltungsmöglichkeiten relativ schnell überwunden wurden“, so Bosch.
Die Wanderung durch den Wald ist eine von vielen Exkursionen, um das Erlernte aus dem Workshop praktisch anzuwenden. „Kennt ihr eigentlich das deutsche Wort Wurzel?“ fragt Sophie Lauber in die Frauenrunde, die vor einem umgestürzten Baum stehen geblieben ist. „Asal“ antwortet eine der Teilnehmerinnen. „Wir benutzen das Wort Wurzeln jedoch auch, wenn wir von unserer Herkunft sprechen“, ergänzt Lauber.
Mit ihren Kameras gab es in den vergangenen drei Monaten zahlreiche fotografische Streifzüge der Gruppe durch Marburg. Auch ein wöchentlich stattfindendes Erzählcafé fand im Rahmen von Lebenswelten statt. „Über den Austausch der Frauen ist eine Vertrauensbasis entstanden, sodass eigentlich keine der Frauen ein Problem damit hatte, auch vor der Kamera zu stehen“, erzählt Magdolna Bezerédy. „Dabei sind viele tolle Aufnahmen an ungewöhnlichen Orten entstanden.“
„Durch das Fotografieren habe ich Marburg und mich selbst ganz neu kennengelernt“, berichtet Kaltom Abdullahi, eine Teilnehmerin des Workshops. „Ich finde es wichtig, dass wir das in einer Gruppe mit anderen geflüchteten und auch deutschen Frauen gemacht haben, weil wir Frauen müssen zusammenhalten!“
Die Ergebnisse des Fotoworkshops werden im Frühjahr 2021 im Rahmen einer Wanderausstellung an verschiedenen Orten in Marburg präsentiert. Auf Grund der aktuellen Covid-19-Entwicklungen finden die Angebote unter strengen Hygienemaßnahmen statt. Das offene Projektangebot nimmt gern weitere Interessentinnen auf.

Kontakt: lebenswelten@arbeitund-bildung.de.